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Die Kirche ist unser Zuhause
Veröffentlicht am15 Juli 2025
Martina Vuk, Fachstellenleiterin Behindertenseelsorge, stellt das Dokument «Die Kirche ist unser Zuhause» vor. Dieses Dokument fasst den Beratungsprozess zur Weltsynode von Menschen mit Behinderung aus fünf Kontinenten zusammen, der am 19. Mai 2025 in Rom stattgefunden hat. Es zeigt Perspektiven für die umfassende Teilhabe von Menschen mit Behinderung am Leben der Kirche auf.
Was ist das Dokument «Die Kirche ist unser Zuhause»?
Ursprüngliche war es eine Einladung von Papst Franziskus, der denjenigen eine Stimme geben wollte, die aufgrund ihrer Behinderung diskriminiert werden. Es handelt sich daher um ein Dokument, das im Rahmen eines synodalen Prozesses im Jahr 2022 von Menschen mit Behinderungen verfasst wurde.
Im Mai 2022 lud das Dikasterium für Laien, Familie und Leben in Absprache mit dem Generalsekretariat der Synode etwa 30 Menschen mit Behinderungen aus fünf Kontinenten ein, sich aktiv am synodalen Prozess zu beteiligen. Dies geschah in einem offenen Dialog mit dem Heiligen Stuhl, um ihren Beitrag zur Synode zu leisteten. Der erste Schritt in dieser Richtung war, den Menschen mit Behinderungen zuzuhören. Der synodale Prozess stellte sich als wahrer Kairos heraus, da er eine konkrete Gelegenheit bot, die Stimmen von Menschen mit Behinderungen zu hören und zu erkennen, wie viel sie der Kirche zu sagen haben.
Wie sehen sich Menschen mit Behinderung in der Kirche?
Menschen mit Behinderungen fühlen sich in der Kirche oft nicht vollständig wahrgenommen. Es ist zunächst wichtig zu betonen, dass es sie gibt, sie vollwertige Menschen sind und dass sie nicht getrennt von der Pfarrei als «wir» und «sie» existieren, sondern als «wir gemeinsam».
Weiters geht es darum, die Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen in der Kirche zu bekämpfen. Viele fühlen sich dort nicht willkommen, weil sie keinen Platz für sich finden.
Es ist auch eine Gelegenheit, ihnen zu deutlich zu machen, dass sie als Christ/innen dazugehören – wie Papst Franziskus es in seiner Botschaft an Menschen mit Behinderungen formuliert hat, dass «das Evangelium für alle da ist».
Wie können Barrieren überwunden werden?
Wenn wir Menschen mit Behinderungen einen Platz in der Pfarrei und in der Kirche geben, kann uns das helfen, eine Kirche aufzubauen, die weniger starr ist und mehr Lebendigkeit ausstrahlt. Paradoxerweise kann uns die Förderung des Einfachen tiefer und weniger oberflächlich machen. Dies ist eine konkrete Möglichkeit, das Evangelium zu verkünden und zu bezeugen: Es ist in der Menschlichkeit jedes Menschen als geliebtes Kind des Vaters verkörpert.
Tatsächlich ist die Teilnahme von Menschen mit Behinderung am Leben und an der Mission der Kirche in den letzten Jahrzehnten in vielen Teilen der Welt realer und wirksamer geworden. Nach grossen Anstrengungen und dank eines neuen kirchlichen Bewusstseins wurden viele architektonische Barrieren in Kirchen und Kirchengebäuden beseitigt. Hilfsmittel zur Erleichterung der Kommunikation für Menschen mit Hör- und Sehbehinderungen wurden eingeführt und diskriminierende sowie paternalistische Behandlungsformen wurden überwunden.
Doch die Teilnahme am Leben der eigenen Pfarrei ist nicht nur durch architektonische, sondern auch durch immaterielle Barrieren erschwert. Deshalb ist es notwendig, dass Pfarreien geeignete Vorkehrungen treffen, um die Teilnahme von Menschen mit Behinderungen zu ermöglichen. Dies erfordert einen schrittweisen Prozess, um jede Pfarrei auf die Aufnahme von Menschen mit Behinderungen vorzubereiten.
Was sind die wichtigsten Punkte dieses Dokuments?
Die Erkenntnis, dass wir alle Teil derselben verletzlichen und zerbrechlichen Menschheit sind, die Christus auf sich genommen und geheiligt hat, beseitigt jede willkürliche Unterscheidung zwischen «uns» und «ihnen» und ermöglicht jedem Getauften, voll und ganz am Leben der Kirche teilzunehmen. Jede/r Getaufte ist ein «Tempel des Heiligen Geistes» und somit befähigt, seine/ihre Gnadengaben zu entfalten und seine/ihre Bestimmung zu erfüllen. Auch wenn diese Gaben unterschiedlich sind, wird jedem Menschen Gnade in Fülle zuteil. Das gilt selbstverständlich auch für Menschen mit Behinderung.
Was können die Pfarreien für Menschen mit Behinderungen tun?
Es ist notwendig, dass diese Erneuerung sichtbar wird. Menschen mit Behinderungen müssen entsprechend ihren Begabungen und Erfahrungen auf allen Ebenen – in den Dikasterien, Diözesen, Pfarreien und Gemeinschaften – an der Leitung und Sendung der Kirche teilhaben.
Da wir uns der Tatsache bewusst sind, dass die Gnade in jedem Menschen gleichermassen wohnt, ist es notwendig, jede paternalistische Haltung gegenüber Menschen mit Behinderungen zu überwinden. Ebenso müssen wir die Vorstellung aufgeben, dass Menschen mit Behinderungen ausschliesslich gepflegt werden müssen. Leider ist dies immer noch eine weit verbreitete Haltung, die sich in Mitleid, Mitgefühl äussert Menschen mit Behinderungen als «Objekte» der Aufmerksamkeit der Kirche und nicht als «Subjekte der Gnade» betrachtet. Eine Änderung dieser Haltung ist daher dringend erforderlich, um das Potenzial jedes Einzelnen anzuerkennen und sie als Ebenbild Gottes, als Brüder und Schwestern in Christus zu sehen.
Martina Vuk, Fachstellenleiterin Behindertenseelsorge